Spektakuläre Tritte in Hülle und Fülle – sonst nichts?
Warum Superstars es dennoch trainieren.
URSPRUNG
Die genauen Ursprünge des modernen Taekwondo sind umstritten. Eins ist sicher: Es wurde 1955 von Choi Hong Hi als moderner Sport gegründet und hat seine Wurzeln im japanischen Karate und der uralten koreanischen Kampfkunst Taekyon, an der man sich bei der Namensgebung bewusst orientierte. Obwohl das Taekwondo in Korea unter Streitigkeiten zweier großer Lager litt, wurde es rechtzeitig zu den Olympischen Spielen in Seoul 1988 als Demonstrationswettbewerb zugelassen. Seit 2000 ist es fester Bestandteil der Olympischen Spiele. Heute ist Taekwondo ein moderner Wettkampfsport, den Schätzungen zufolge über 70 Millionen Menschen weltweit trainieren.
DER KLASSISCHE TAEKWONDO–KAMPF
Nach den bei Olympia verwendeten Regeln kämpfen die zwei Athleten auf einer zehn mal zehn Meter großen Fläche. Sie tragen den Dobok, eine dünne Schlupfjacke und eine weite Hose, die den Kämpfern problemlos selbst die artistischsten Manöver ermöglichen. Des Weiteren tragen sie einen weichen Helm, sowie mehrere Teile einer Schutzausrüstung. Die Kämpfer versuchen sich mittels spektakulären und dynamischen Faust- und Tritttechniken zu treffen und den Gegner auszuknocken oder auszupunkten. Da keine Schläge zum Kopf und keine Tritte unterhalb des Oberkörpers erlaubt sind, liegt der Fokus bei den Kämpfen ganz klar auf den blitzschnellen, akrobatischen Tritten zum Kopf, die mehr Punkte bringen – und häufig spektakuläre Knock-Outs nach sich ziehen.
DIE WAFFEN EINES TAEKWONDO–KÄMPFERS
Die große Stärke des Taekwondo ist ohne Frage die schiere Masse und Klasse an artistischen Tritten, die der ahnungslose Gegner kaum kennt und daher auch nur schwer verteidigen kann, wenn sie perfekt getimed werden. Was die große Schwäche des Taekwondo ins Spiel bringt: Landet ein Tritt nicht im Ziel – speziell eine eingedrehte Tritttechnik – ist man meist offen für einen Konter. Da lacht der Ringer oder Boxer, der den Gegner direkt packt und zu Boden bringt oder ihm einen knackigen Schlag verpasst. Weder Bodenkampf, noch Schläge zum Kopf sind Taekwondo-Kämpfer aus ihrem Training gewohnt, wobei sie zumindest aufgrund ihrer Flinkheit meist gute Reflexe entwickelt haben, um gegnerischen Treffern elegant aus dem Weg zu gehen.
BEKANNTE GESICHTER
Reine Taekwondo-Kämpfer haben sich selbst zu Beginn des Sports kaum in den Käfig gewagt. Brutalo Pat Smith vertrat die Sportart offiziell als Schwarzgurt bei UFC 1, profitierte im Kampf aber deutlich mehr von seiner Aggression und Schlagkraft als von feiner Technik. Taekwondo geriet eine zeitlang in Vergessenheit, bis Anthony Pettis 2010 die Welt mit seinem filmreifen Matrix-Kick schockte. Seither verzückt der 3. Dan Schwarzgurt die Fans immer wieder mit Tritten, die man vorher so im MMA noch nie gesehen hat. Ein Jahr nach Pettis legte der Tschetschene Adam Khaliev noch einen drauf, als er einen Gegner mit einem Tornado Kick K.O. trat. Bei diesem Tritt wirbelt der Kämpfer um 360 Grad und springt in einen Halbkreisfußstoß, der auf Schläfe oder Kiefer zielt – oft mit verheerendem Ergebnis.
DAS GEHEIMREZEPT ZUM ERFOLG
Was das Taekwondo im MMA wertvoll macht sind die Tritte. Nur die wenigsten Kämpfer wissen diese richtig zu verteidigen, da sie nicht im Standardrepertoire des MMA vorkommen und generell unterschätzt werden. Mit den spektakulären Tritten gehen Kämpfer oft ein Risiko ein. Doch es ist keine Seltenheit, dass der Gegner auch nach einem verpassten präzisen Drehtritt erst einmal zurückweicht und sichtlich ins Grübeln kommt. Dosiert eingesetzt und immer wieder mit regulären Kickboxtechniken gemischt, können die Tritte des Taekwondo den entscheidenden Unterschied machen. Das haben viele andere Athleten längst begriffen, wie Dennis Siver, der den Spinning-Back-Kick für sich optimierte, obwohl er gelernter Kickboxer ist. Mit Edson Barboza und Anderson Silva haben zudem zwei Brasilianer gezeigt, dass Taekwondo und Muay Thai eine brisante Mischung sein kann.
EINFLUSS AUF DEN MMA–SPORT
Gelernte Taekwondo-Kämpfer haben den großen Vorteil der Unberechenbarkeit. Kein Gegner will am Ende des Tages der Unterlegene sein und immer wieder in Highlight-Videos sehen, wie er K.O. getreten wurde. Als Basis für das heutige MMA eignet sich Taekwondo eher weniger, da die restlichen Aspekte einfach viel zu kurz – oder gar nicht – vorkommen. Das Beispiel Conor McGregor zeigt aber, welche Wertschätzung das Taekwondo in der MMA-Welt genießt. In der Hoffnung sein Arsenal mit artistischen Tritten aufzupimpen, trainierte der Ire intensiv Taekwondo – jedoch nicht das Olympische, sondern die speziell an das MMA angepassten Techniken. Auch wenn man ihm ansieht, dass er kein gelernter Taekwondo-Kämpfer ist, gelingt es ihm immer wieder, artistische Tritte anzubringen und seine Gegner damit aus dem Konzept zu bringen.