Die Ellenbogen- und Kniestoß-Spezialisten sind im MMA auf dem Vormarsch.
URSPRUNG
Muay Thai, auch Thaiboxen genannt, ist eine alte asiatische Kampfkunst, die erstmalig im Jahr 1560 erwähnt wurde als sie schon zur Grundausbildung der thailändischen Soldaten gehörte. Auf Mitte des 18. Jahrhunderts wird der erste offizielle Kampf zurückdatiert bei dem der in Gefangenschaft geratene Thaiboxer Nai Khanomtom um seine Freiheit kämpfte. Mittels seiner Härte, Präzision und Technik bezwang er einen burmesischen Kampfsportexperten nach dem anderen und wurde daraufhin freigelassen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wich das alte Muay Boran, bei dem weitestgehend ohne Handschuhe gekämpft wurde, dem heutigen Sport Muay Thai, als zur Zeit der britischen Besatzung erste Boxringe in Thailand gebaut wurden und nach und nach immer mehr auf die Sicherheit der Kämpfer geachtet wurde.
DER KLASSISCHE MUAY–THAI–KAMPF
Jeder Kampf wird von einem zeremoniellen Tanz eröffnet, dem Wai Khru Ram Muay. Dabei ehren die Thaiboxer ihre Lehrer und werden bei ihren anmutigen Bewegungen von traditioneller Musik begleitet. Sobald der Kampf losgeht, geht es in Windeseile zur Sache. Die zwei Athleten stehen sich in einem Ring gegenüber, wobei ihre Kampfhaltung davon geprägt ist, gegnerische Ellenbogenschläge und Tritte früh abzufangen. Der Gegner wird mittels Fauststößen, Tritten, speziell aber den gefährlichen Ellenbogen- und Knietechniken bekämpft. Im Clinch geht es im Gegensatz zum Kickboxen richtig zur Sache, da hier die in der Nahdistanz vernichtenden Ellenbogenschläge und Kniestöße besonders oft zum Einsatz kommen. Wie beim klassischen Boxen endet der Kampf durch Knock-Out, technischen K.O. oder wenn der Ringrichter abbricht.
DIE WAFFEN EINES THAIBOXERS
Muay Thai wird als die „Kunst der acht Gliedmaßen“ bezeichnet, da man acht Angriffspunkte kennt: Füße, Hände, Ellenbogen und Knie. Die in Kondition und Schnellkraft exzellent geschulten Thaiboxer sind gefährliche Gegner, die selbst erfahrene Standkämpfer häufig vor Probleme stellen. Ihre Attacken kommen meist blitzschnell und mit einer Härte, die die ausnahmslos effektiven Techniken erst richtig zur Geltung bringt. Häufig sieht man bei Thaiboxern den Fußjab mit dem sie den Gegner abtasten und die Distanz abpassen. Eine in anderen Kampfsportarten nicht gekannte Fülle an Techniken, mit denen man mit Ellenbogen oder Knie angreifen kann, ist das Hauptaugenmerk des Muay Thai. Durch ihre Erfahrung und Härte im Clinch, wo der Kampf unvermindert weitergeht und auch Würfe häufig eingesetzt werden, hat ein Thaiboxer bis auf den fehlenden Bodenkampf eine gute Ausgangsbasis im MMA.
BEKANNTE GESICHTER
Schon bei UFC 2 zeigte sich, dass Thaiboxer im MMA eine Zukunft haben. Orlando Wiet, der schon in Thailands legendärem Lumpinee Stadium gekämpft hatte, knockte seinen ersten Gegner mit harten Kniestößen und Ellenbogen aus. Im zweiten Kampf wurden ihm aber im Bodenkampf vom Schwergewicht Remco Pardoel seine Grenzen aufgezeigt und er selbst ging K.O. wohingegen der Brasilianer Marco Ruas der erste Kämpfer war, der Muay Thai mit Bodenkampf kombinierte und damit als einer der ersten Allround-Kämpfer der damaligen Zeit galt. Seither gab es speziell aus Brasilien eine Vielzahl an kompromisslosen Muay-Thai-Kämpfern, die im MMA für Furore gesorgt haben wie Wanderlei Silva, Mauricio Rua, Joe Aldo und Anderson Silva, wobei Letzterer auf seinem Höhepunkt das Muay Thai im Käfig perfektioniert hat.
DAS GEHEIMREZEPT ZUM ERFOLG
Längst kein Geheimnis mehr: Ohne solide Kenntnisse im Bodenkampf wird auch der stärkste Thaiboxer am Boden gnadenlos untergehen. Doch selbst gegen den erfahrensten Ringer können sie mit ihren gezielten Kniestößen für einen Knock-Out sorgen, was sie auch ohne fundierte Bodenkampfkenntnis zu unbequemen Gegnern macht. Im Stand zählen sie zum Härtesten, was man sich vorstellen kann. Selbst der Clinch, der für viele Boxer und Kickboxer oft zum Verhängnis wird, bereitet ihnen selten Probleme. Die Herangehensweise der Brasilianer, die seit Jahrzehnten schon Brazilian Jiu-Jitsu und Muay Thai für das MMA mischen, bewährt sich auch heute noch – trotz der erneut drohenden Dominanz der Ringer.
EINFLUSS AUF DEN MMA–SPORT
Wer die im MMA speziell im Bodenkampf gefürchteten Ellenbogenschläge meistern und dazu noch im Clinch für eine faustdicke Überraschung sorgen will, ist gut beraten Muay Thai zu lernen. Statt mit vier mit acht „Gliedmaßen“ angreifen zu können, ist im Kampf immer ein Vorteil und erweitert das Arsenal. Traditionelles Muay Thai ist mit seinen teils illustren Techniken zu risikoreich für den Käfig. Lediglich Weltklasse-Sportler wie Jon Jones, gelernter Ringer, hat sich diverser Ellenbogentechniken des Muay Thai bedient und dank seiner Athletik mit durchschlagendem Erfolg anbringen können. Der einzige Wermutstropfen: Aus Thailand, der Wiege des Sports, hat sich noch kein hochkarätiger Champion daran gewagt, auch im MMA den Thron zu erklimmen.