Spricht man mit We Love MMAs Welterweight-Champion, vergisst man vielleicht, dass er eine Siegesserie von vier Finishes innehält. Er ist reflektiert, lässig und kann über sich selbst lachen. Nach seinem Debüt bei We Love MMA im Jahre 2016 ging es mit seiner Karriere stetig bergauf, angetrieben von einer großen Leidenschaft für Mixed Martial Arts. Seine Zukunft ist vielversprechend.
Wie bist du zum Kampfsport gekommen? Hast du davor andere Sportarten betrieben?
Als ich 17 war zeigte mir mein langähriger Schulfreund Felix Früh zum ersten Mal das Muay Thai. Ich komme aus dem kleinen schwäbischen Dorf Gohren, zwischen Lindau und Friedrichshafen. Damals habe ich alle möglichen Sportarten ausprobiert, bis ich im MMA endlich die Sportart fand in die ich mich auch auf der Wettkampfebene verliebte. Ich bin geschwommen, habe Leichtathletik gemacht und bin Einrad gefahren. Ich habe also so ziemlich alles ausprobiert, aber nichts hat mich so wirklich gefesselt.
Mit Muay Thai und Boxen war das anders; Ich hatte das Gefühl, dass es in Kombination sowohl meine Fähigkeiten, als auch mein Charakter verbessert. Jedoch wusste ich damals noch nicht, was ein gutes Training ausmachte. Die meiste Zeit befassten wir uns mit Fitness und Bewegungsabläufen, da es in einer so ländlichen Gegend eh nicht viele Wettkämpfe gab. Ich stach auch nie aus der Gruppe heraus und hatte lange Zeit das Gefühl nicht der „geborene“ Kämpfer zu sein.
Wie bist zum MMA gekommen?
Es hat einige hundert Kilometer und einen Internetfreund gebraucht, um mich zum MMA zu bringen. Er behauptete, er wüsste mehr über das Kämpfen und forderte mich zu einem Duell heraus. Er brachte mich per Takedown zu Boden und hielt mich unten. Ich wusste nicht, wie mir geschah und warum er nicht wieder aufstand um mit mir zu „kämpfen“. Es hat eine Weile gedauert, bis ich verstand wie viel Spaß es macht einen Striker zu Boden zu bringen und mit ihm zu grapplen.
Als ich dann also für mein Studium nach Mainz zog, wollte ich unbedingt dem Grappling Team, Suum Cuique, für ein paar Monate beitreten, um die Basics in der Takedowndefense zu lernen und einen Kampf im Stand halten zu können.
Ich bemerkte sehr schnell, dass das Training bei Suum Cuique meiner Trainingsmentalität entsprach. Sie verschwendeten keine Zeit mit Fitness oder zu viel Bewegungs-Drills. Manchmal frage ich mich immer noch, wie ich glauben konnte, dass mich ein paar hundert Liegestütze am Tag aus mir einen besseren Kämpfer machen würden. Außerdem verspürte ich sehr schnell das Bedürfnis an Wettkämpfen teilzunehmen und schon nach nur ein paar Monaten bestritt ich mein erstes Turnier, auf dem ich gleich drei Kämpfe hatte.
Es scheint so, als hättest du einen sehr guten Lauf als Amateur und dann bei deinem Pro-Debüt gehabt (7-0 alle durch Finish), bis zu deinem zweiten Pro-Kampf gegen einen sehr erfahrenen Gegner?
Mein zweiter Kampf war eine unmögliche Herausforderung in der Gestalt von Stephan Janßen. Nachdem ich ihn überraschenderweise zu Boden brachte, habe ich einfach wie angewurzelt vor ihm gestanden und bin, aus welchem Grund auch immer, auch nach zwei Highkicks nicht aus der Schusslinie gegangen – keine gute Entscheidung.
Was hast du an deiner Vorbereitung geändert um im Rückkampf erfolgreich zu sein?
Es stellte sich heraus, dass mehr Erfahrung, bessere Technik und der Wille nicht das Kinn durch Highkicks zerschmettert zu bekommen, doch einen Unterschied im Kämpfen ausmachen. Die restliche Vorbereitung war sehr simpel und ähnlich zur Ersten. Starke Teammates, die dich im Training an deine Grenzen bringen, sind die halbe Miete.
Was sind deine Stärken?
Auch wenn ich bei Weitem nicht die Kraft eines Daniel Huchlers, oder die Tricks eines Stephan Janßens besitze, kann ich ganz schön nervig sein. Auch wenn alles daneben geht, mache ich immer noch den Homer Simpson und gehe nach vorne! Wer brauch bitteschön Gehirnzellen im Alter?
Zu wem schaust du auf?
Ich schaue zu all meinen Trainern auf. Sie haben diesen Sport groß gemacht. Niemand wusste damals viel über das Kämpfen, also waren sie in der selben Situation, wie ich zu Beginn meiner Reise. Aber im Vergleich zu mir, waren sie alle ein wenig klüger und haben unglaubliche Fähigkeiten entwickeln können.
Wenn ich einen berühmten Kämpfer nennen müsste, wäre es George St. Pierre. Er hat eine unglaubliche Trainingsmentalität und ist bis zum Schluss immer bescheiden geblieben. Außerdem mag ich Ben Askren. Ich mag einfach seinen Stil; er beackert und nervt seine Gegner einfach bis zur totalen Erschöpfung.
Gegen wen möchtest du als nächstes kämpfen?
Die offensichtlichste Antwort auf diese Frage ist Tomasz Sobczak. Mein Coach meint er ist der härteste Fighter in meiner Gewichtsklasse. Ein weiteres interessantes Match-Up wäre „Mr. Iron Will“ Aleksander Stojicic. Beide Kämpfe wären eine große Ehre für mich. Aber am Ende des Tages wird es in Düsseldorf nur einen Titelträger geben!
Was machst du, wenn du nicht gerade kämpfst? Coachst du auch?
Im „echten Leben“ studiere ich Sportwissenschaften und gebe Rehabilitationstraining für verletzte oder ältere Leute. Außerdem arbeite ich als Kommentator und führe Interviews für Fight24. Seit kurzem arbeite ich auch als MMA-Schiedsrichter. Es wäre großartig, wenn ich MMA zu meiner Karriere machen könnte. Mal sehen, ob das klappt. Ich liebe es auch zu unterrichten. Das mache ich auch dreimal in der Woche.
Du scheinst ein viel beschäftigter Mann zu sein – wie vereinst du das alles mit deinem eigenen Training? Haben deine Erfahrungen in den Sportwissenschaften irgendetwas an deinem Training verändert?
Aktuell habe ich keine trainingsfreien Tage. Ich weiß, dass geht nicht ewig gut, aber da ich noch jung bin, mache ich mir noch nicht all zu viele Sorgen um den Rest meines Lebens. Es ist dumm, aber erfolgreich. Manchmal trainiere ich mit dem We Love MMA Mittelgewichts-Champion Dustin Stoltzfus. Mein Ringen trainiere ich mit dem BILD-Casting-Finalisten Önder Tuncer. Natürlich hat mein Studium das Training ein wenig verändert. Aber alles in Allem vertraue ich mehr auf die Erfahrungen und die Fähigkeiten meiner Trainer, als die meiner Professoren.
Was ist deine Philosophie in Bezug auf Mixed Martial Arts?
Ich liebe es, mich zu verbessern. Manchmal tue ich so, als würde mich der Ausgang meiner Kämpfe nicht interessieren, heule mir aber die Augen aus, wenn ich einen Kampf verliere. Ich versuche eine Philosophie der Verbesserung zu haben – mit meinen Coaches und meinem Team hinter mir, klappt das!
© Rama Reddy